Quelle: Silviu Brucan, 1973, List verlag München;
In dieser provozierenden Analyse des Nationalismus und Internationalismus stellt der namhafte rumänische Polito­loge und Diplomat, Silviu Brucan, traditionelle marxisti­sche und kapitalistische Theorien der Weltpolitik in Frage. Er gibt eine neue Interpretation der Konflikte zwischen Nationen und erklärt, wie diese Konflikte letztlich gelöst werden können.
Brucan behauptet, alle modernen souveränen Staaten — gleichviel ob kapitalistisch, sozialistisch oder in der Mitte — seien von Natur aus nationalistisch, denn sie kämpfen einer­seits um nationale Macht und Erweiterung, andererseits um nationale Integrität und Überleben. Für eine Analyse dieses andauernden Kampfes lehnt er simplifizierende Ansätze ab, die die Geschichte mit einem einzigen Faktor, beispielsweise Technologie oder Klassenkampf, erklären wollen, wie es einseitig ausgerichtete Theoretiker in beiden ideologischen Lagern heute gern tun. Seiner Meinung nach beruht der historische Wandel auf der dynamischen Interaktion einer Reihe von Faktoren technologischer, sozialer und nationali­stischer Art. Die Welt in ihrer Gesamtheit, so glaubt Bru­can, befindet sich heute in dem Zustand von Interde­pendenz und anarchischer Unordnung, aus dem früher auf einer lokalen Basis die Notwendigkeit von Natio­nen entsprang. Brucan ist überzeugt, daß diese Notwendig­keit die Menschheit zu einem neuen Typus der Revolution drängt, bei der es nicht nur um Klassenungleichheit, sondern um nationale Ungleichheit gehen wird — also eine Revolu­tion, die nicht die Verschiebung der Macht von einer Klasse oder Nation auf eine andere, sondern die Auflösung der Macht schlechthin bedeutet. Brucans Modell einer integrier­ten Welt wird für Sozialforscher in Ost und West von großer Bedeutung sein.