Bliss Point – Warum wir auf hochverarbeitete Lebensmittel verzichten sollten
Der Bliss Point ist die unsichtbare Manipulation auf unseren Tellern. Wusstest du, dass nahezu alle hochverarbeiteten Lebensmittel so konzipiert sind, dass wir sie einfach nicht aus der Hand legen können.
Ein Biss, ein zweiter, und ehe wir uns versehen, ist die ganze Packung leer. Wir kennen dieses Phänomen von Chips, Schokoriegeln oder Softdrinks – aber warum ist das so? Warum fällt es uns so schwer, nach einer Handvoll aufzuhören? Die Antwort liegt in einem gezielt genutzten Mechanismus der Lebensmittelindustrie: dem Bliss Point.
Der Bliss Point, oft als „Glückspunkt“ übersetzt, ist ein Konzept aus der Psychophysik, das beschreibt, wie Zutaten wie Zucker, Fett und Salz in genau der richtigen Menge kombiniert werden, um das größtmögliche Geschmackserlebnis zu erzeugen. Das Ziel: ein Produkt, das süchtig macht – nicht im juristischen Sinne, aber doch so, dass unser Gehirn nach mehr verlangt.
Das Konzept wurde von dem amerikanischen Psychophysiker Howard Moskowitz entwickelt, der für die Lebensmittelindustrie Wege fand, Produkte so zu optimieren, dass sie nicht nur gut schmecken, sondern einen nahezu unwiderstehlichen Drang nach weiterem Konsum auslösen. Unternehmen nutzen dieses Prinzip skrupellos, um den Umsatz zu steigern, während gesundheitliche Folgen wie Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit zunehmen.
Diese Publikation beleuchtet, was hinter dem Bliss Point steckt, wie die Lebensmittelindustrie unser Essverhalten manipuliert und warum hochverarbeitete Lebensmittel mit Absicht so designt sind, dass sie uns immer wieder in ihre Falle locken. Wir werden ergründen, welche Mechanismen hier greifen, wie unser Gehirn darauf reagiert – und wie wir uns dagegen wehren können. Denn wer einmal versteht, mit welchen Tricks die Industrie arbeitet, hat die Möglichkeit, bewusste und gesündere Entscheidungen zu treffen.
Der Bliss Point in hochverarbeiteten Lebensmitteln
Hochverarbeitete Lebensmittel. Der Begriff liest sich zunächst toll, doch so toll ist das alles nicht. Hochverarbeitete Lebensmittel sind industriell hergestellte Nahrungsmittel, die zahlreiche Verarbeitungsschritte durchlaufen haben und oft eine Vielzahl von Zusatzstoffen enthalten. Sie zeichnen sich durch ihre lange Haltbarkeit, intensive Geschmacksprofile und eine Konsistenz aus, die gezielt auf maximalen Genuss optimiert wurde. Doch genau hier liegt das Problem: Diese Lebensmittel sind nicht nur praktisch und kostengünstig, sondern auch so konzipiert, dass sie süchtig machen und unsere natürlichen Sättigungsmechanismen umgehen.
Ein Produkt gilt als hochverarbeitet, wenn es nicht mehr in seiner ursprünglichen Form erkennbar ist und zahlreiche künstliche oder veränderte Zutaten enthält. Dazu gehören Emulgatoren, Farbstoffe, künstliche Aromen, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker. Diese Zutaten dienen nicht nur der Haltbarkeit, sondern auch dazu, eine unwiderstehliche Kombination aus Geschmack, Textur und Geruch zu erzeugen.
Ein klassisches Beispiel ist ein einfacher Maiskolben. In seiner natürlichen Form ist er ein vollwertiges Lebensmittel mit Ballaststoffen und Vitaminen. Doch wenn dieser Mais zu Cornflakes verarbeitet wird – oft mit Zucker und künstlichen Aromen versetzt –, verliert er den Großteil seiner ursprünglichen Nährstoffe. Noch weiter geht der Prozess, wenn der Mais als Grundzutat für Sirup oder modifizierte Stärken dient, die dann in Softdrinks oder Fertiggerichten landen. Was ursprünglich ein natürliches Produkt war, wird zu einem völlig neuen Nahrungsmittel mit optimierter Sensorik, aber kaum noch echtem Nährwert.
Und nun kommt der Bliss Point ins Spiel. Die Industrie investiert Milliarden in die Forschung, um Lebensmittel zu entwickeln, die den Bliss Point exakt treffen. Hochverarbeitete Produkte sind das Ergebnis gezielter Manipulation, um genau die richtige Menge an Fett, Zucker und Salz zu kombinieren – und das mit einer Konsistenz, die angenehm weich, knusprig oder cremig ist. Diese Produkte stimulieren das Belohnungssystem im Gehirn und sorgen dafür, dass wir immer mehr davon essen wollen.
Während natürliche Lebensmittel eine Vielzahl an Nährstoffen enthalten, die unser Körper zur Sättigung benötigt, sind hochverarbeitete Produkte so konzipiert, dass sie uns nicht richtig satt machen. Die natürliche Reaktion auf süße oder fettige Speisen – das Einsetzen eines Sättigungsgefühls – wird durch raffinierte Zusammensetzungen umgangen. Man isst eine Chipstüte nicht, weil man hungrig ist, sondern weil sie genau so entwickelt wurde, dass sie nach „mehr“ schmeckt. Diese Produkte sind in erster Linie darauf ausgelegt, Konsum zu maximieren – nicht zwingend darauf, uns mit Nährstoffen zu versorgen. Zahlreiche Studien zeigen, dass eine Ernährung, die stark auf hochverarbeitete Lebensmittel setzt, mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen verbunden ist, darunter:
- Adipositas und Übergewicht: Durch die hohe Energiedichte und die manipulative Kombination von Zucker, Fett und Salz essen wir oft mehr Kalorien, als unser Körper benötigt.
- Stoffwechselerkrankungen: Hohe Mengen an verarbeitetem Zucker und Fett fördern Insulinresistenz und erhöhen das Risiko für Typ-2-Diabetes.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Der hohe Gehalt an gesättigten Fetten, Salz und Zucker begünstigt Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Herzerkrankungen.
- Darmgesundheit: Hochverarbeitete Lebensmittel enthalten oft kaum Ballaststoffe, die für eine gesunde Darmflora notwendig sind. Gleichzeitig fördern Zusatzstoffe wie Emulgatoren Entzündungen im Darm.
- Psychische Auswirkungen: Studien legen nahe, dass eine Ernährung, die stark auf hochverarbeitete Produkte setzt, mit einer höheren Anfälligkeit für Depressionen und Angstzustände korreliert.
Kurz gesagt: Hochverarbeitete Lebensmittel sind nicht allein durchaus ein Problem für unsere Gesundheit, sondern sie verändern auch unser Essverhalten. Sie sind so konzipiert, dass sie uns in einer Form abhängig machen – und genau das macht sie so gefährlich.
Zusatzstoffe in hochverarbeiteten Lebensmitteln: Wie sie uns beeinflussen
Zusatzstoffe spielen eine entscheidende Rolle in hochverarbeiteten Lebensmitteln. Sie dienen dazu, den Geschmack zu intensivieren, die Haltbarkeit zu verlängern oder die Konsistenz zu verbessern. Doch während sie auf den ersten Blick nur technische Hilfsmittel zu sein scheinen, haben sie tiefgreifende Auswirkungen auf den menschlichen Körper und das Essverhalten.
Besonders problematisch sind jene Zusatzstoffe, die das natürliche Sättigungsgefühl beeinflussen. Geschmacksverstärker wie Mononatriumglutamat verstärken bestimmte Aromen und sorgen dafür, dass Speisen intensiver wahrgenommen werden, als sie es in ihrer ursprünglichen Form wären. Das Gehirn reagiert auf diese Überstimulation mit einer erhöhten Dopaminausschüttung, was den Wunsch nach weiterem Konsum verstärkt. Gleichzeitig können künstliche Süßstoffe, die als Ersatz für Zucker dienen, eine paradoxe Wirkung entfalten. Sie signalisieren dem Körper Süße, ohne jedoch echte Energie zu liefern, was zu einer gestörten Insulinreaktion führen kann.
Auch Emulgatoren und Stabilisatoren, die in vielen Produkten für eine cremige Konsistenz sorgen, stehen in Verdacht, die Darmflora negativ zu beeinflussen. Studien zeigen, dass bestimmte Stoffe Entzündungen im Magen-Darm-Trakt fördern und langfristig zu metabolischen Erkrankungen beitragen können. Farb- und Konservierungsstoffe wiederum sind primär dazu gedacht, Produkte optisch ansprechender zu machen oder ihre Lagerfähigkeit zu erhöhen. Die gesundheitlichen Effekte werden oft verharmlost, doch einige dieser Stoffe stehen in Verbindung mit Hyperaktivität, Allergien oder sogar krebserregenden Prozessen im Körper.
Das eigentliche Problem ist jedoch nicht ein einzelner Zusatzstoff, sondern die Art und Weise, wie sie in Kombination wirken. Hochverarbeitete Lebensmittel sind so zusammengesetzt, dass sie auf mehreren Ebenen eine Überreizung der Sinne auslösen. Sie enthalten oft eine fein abgestimmte Mischung aus Zucker, Fett und Salz, die genau auf den sogenannten Bliss Point zugeschnitten ist. Diese Kombination macht sie unwiderstehlich und führt dazu, dass natürliche Sättigungssignale unterdrückt werden. Wer regelmäßig solche Produkte konsumiert, gewöhnt sich an die künstliche Intensität der Aromen und empfindet natürliche Lebensmittel oft als fade oder unbefriedigend.
Neben den direkten gesundheitlichen Auswirkungen haben Zusatzstoffe auch eine gesellschaftliche Dimension. Sie ermöglichen es der Lebensmittelindustrie, minderwertige Zutaten durch geschickte Verarbeitung aufzuwerten und zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Sie suggerieren Qualität, wo keine ist, und tragen dazu bei, dass Konsumenten den Bezug zur echten Natur von Lebensmitteln verlieren. Während eine Birne, ein Apfel, Pflaumen, Marillen oder eine frisch zubereitete Mahlzeit klare, unverfälschte Aromen bietet, sind hochverarbeitete Produkte darauf optimiert, sofortige und intensive Geschmackserlebnisse zu liefern – allerdings oft auf Kosten der Gesundheit.
Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass all diese Stoffe innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte harmlos sind. Die langfristigen Folgen des täglichen Konsums werden oft erst spät erkennbar, wenn Stoffwechselerkrankungen, Übergewicht oder Entzündungen den Körper belasten. Die Tatsache, dass viele dieser Produkte gezielt auf Kinder und wirtschaftlich schwächere Gruppen ausgerichtet sind, macht die Problematik noch dringlicher. Wer sich mit der Wirkung von Zusatzstoffen auseinandersetzt, erkennt schnell, dass sie nicht nur eine technische Funktion erfüllen, sondern tief in das Essverhalten und die Gesundheit eingreifen.
Finde Deinen eigenen neuen Bliss Point: Mach´s Dir selbst!
Das Essen natürlich. Um den Konsum von Zusatzstoffen in hochverarbeiteten Lebensmitteln zu reduzieren, braucht es vor allem Bewusstsein, Planung und eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Essverhalten. Der Schlüssel liegt darin, den Griff zu industriell gefertigten Produkten schrittweise zu reduzieren und stattdessen natürliche, möglichst unverarbeitete Alternativen in den Alltag zu integrieren. Doch dieser Umstieg ist nicht immer einfach, da die Lebensmittelindustrie uns über Jahre hinweg auf eine bestimmte Geschmacksintensität konditioniert hat.
Eine der wirksamsten Strategien ist, sich mit den Inhaltsstoffen der eigenen Lebensmittel bewusst auseinanderzusetzen. Wer sich angewöhnt, die Zutatenlisten genau zu lesen, erkennt schnell, wie viele überflüssige oder problematische Stoffe sich in scheinbar harmlosen Produkten verbergen. Oft genügt ein kurzer Blick auf die Länge der Liste: Je mehr unverständliche Begriffe oder E-Nummern enthalten sind, desto stärker verarbeitet ist das Produkt. Eine Faustregel lautet: Je kürzer und natürlicher die Liste, desto besser.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Rückkehr zur eigenen Zubereitung von Mahlzeiten. Wer selbst kocht, hat die volle Kontrolle darüber, was auf den Teller kommt. Es geht dabei nicht darum, von heute auf morgen jede Form von Convenience-Produkten zu verbannen, sondern darum, schrittweise Alternativen zu finden. So kann beispielsweise ein selbstgemachtes Dressing ein industriell gefertigtes Fertigdressing ersetzen, oder ein selbst gebackenes Brot den Kauf von Supermarktware überflüssig machen. Mit der Zeit gewöhnt sich der Geschmackssinn wieder an die natürliche Aromatik von Lebensmitteln – und das Bedürfnis nach künstlich verstärkten Aromen nimmt ab.
Auch die Wahl der Einkaufsorte spielt eine Rolle. Während Supermärkte eine überwältigende Vielfalt an hochverarbeiteten Produkten anbieten, finden sich auf Wochenmärkten, in Bioläden oder bei Direktvermarktern oft Lebensmittel, die ohne unnötige Zusatzstoffe auskommen. Wer frische, unverarbeitete Lebensmittel bevorzugt, reduziert automatisch die Aufnahme von Geschmacksverstärkern, Konservierungsstoffen oder künstlichen Aromen. Dabei geht es nicht darum, sich dogmatisch auf Bio-Produkte zu versteifen, sondern um den bewussten Umgang mit den eigenen Kaufentscheidungen.
Ein weiterer Trick, um sich schrittweise von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu lösen, ist das schrittweise Reduzieren von Zucker, Salz und Fett in der eigenen Ernährung. Da der Bliss Point genau auf diese Zutaten optimiert ist, kann man ihn gezielt austricksen, indem man den eigenen Geschmackssinn langsam umstellt. Wer sich beispielsweise an ungesüßten Joghurt gewöhnt, wird nach einiger Zeit industriell gesüßte Varianten als unangenehm süß empfinden. Ähnliches gilt für gesalzene Snacks oder stark gewürzte Fertiggerichte: Durch langsame Reduktion der Intensität gewöhnt sich der Körper an eine natürlichere Wahrnehmung von Geschmack.
Letztlich ist auch die eigene Einstellung zur Ernährung entscheidend. Hochverarbeitete Lebensmittel bieten oft eine schnelle und bequeme Lösung – doch der Preis dafür ist hoch. Wer sich bewusst macht, dass der eigene Körper aus den Lebensmitteln aufgebaut wird, die man ihm zuführt, wird achtsamer mit seiner Auswahl umgehen. Ein bewusster Verzicht auf hochverarbeitete Produkte bedeutet nicht Verzicht auf Genuss, sondern eine Rückkehr zu echter Lebensmittelqualität. Die größte Herausforderung liegt nicht darin, auf bestimmte Produkte zu verzichten, sondern darin, die eigene Wahrnehmung von Essen zu verändern.
Mein Tipp: Gewürze sind dein Freund
Einer der effektivsten und zugleich genussvollsten Wege, sich von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu lösen, ist die bewusste Nutzung von Gewürzen und Kräutern. Das ist an dieser Stelle auch mein persönlicher Tipp! Denn was viele nicht wissen: Der Bliss Point, auf den industrielle Produkte optimiert sind, basiert auf einer künstlichen Verstärkung von Geschmack. Doch diese Intensität lässt sich auf natürlichem Weg erreichen – und zwar durch die Vielfalt an Aromen, die Gewürze bieten.
Werden Fertiggerichte oder Fast Food durch selbst zubereitete Speisen ersetzt, fällt oft zunächst auf, dass das Essen weniger „intensiv“ schmeckt. Das liegt daran, dass industrielle Lebensmittel oft eine Einheitswürze enthalten, die mit Zucker, Salz und Fett kombiniert wird, um den maximalen Geschmackseffekt zu erzeugen. Doch statt dem Körper weiter diese künstlich optimierten Produkte zuzuführen, lohnt es sich, die natürliche Welt der Gewürze neu zu entdecken.
Kräuter und Gewürze können nicht nur helfen, den Übergang zu weniger verarbeiteten Lebensmitteln leichter zu machen, sondern sie bringen auch eine Reihe geschmacklicher Vorteile mit sich. Besonders wichtig ist, sich von der Idee zu lösen, dass Geschmack automatisch mit Fett, Zucker oder Salz verbunden sein muss. Wer einmal beginnt, mit Paprika, Chili, Koriander, Kreuzkümmel oder Muskatnuss zu experimentieren, wird feststellen, dass natürliche Aromen vielschichtiger und komplexer sind als jeder industrielle Geschmacksverstärker. Kurkuma, Ingwer und Zimt, aber auch Klassiker wie Knoblauch, Rosmarin oder Thymian gehören in den Haushalt! Die richtige Gewürzkombination kann ein einfaches Gemüsegericht zu einer aromatischen Entdeckung machen oder eine selbstgemachte Sauce geschmacklich auf ein ganz neues Niveau heben.
Ein weiterer Vorteil: Wer bewusst mit Gewürzen arbeitet, isst automatisch achtsamer. Der industrielle Bliss Point setzt darauf, dass man gedankenlos konsumiert – mit einer Geschmacksexplosion im ersten Moment, die jedoch schnell nachlässt und nach mehr verlangt. Natürliche Gewürze hingegen entfalten ihr Aroma langsamer, sind vielschichtiger und machen das Essen zu einem bewussteren Erlebnis. Wer selbst würzt und experimentiert, setzt sich viel stärker mit Lebensmitteln (die sie dann auch wirklich sind) auseinander und versteht mehr.
Letztlich ist der Einsatz von Gewürzen ein kleines, aber wirkungsvolles Werkzeug, um die Kontrolle über die eigene Ernährung zurückzugewinnen. Statt sich von industriellen Rezepturen abhängig zu machen, kann jeder seinen persönlichen Bliss Point neu definieren – und dabei feststellen, dass echtes Essen nicht nur gesünder, sondern auch geschmacklich reicher ist als alles, was aus einer Fabrik kommt.
Quelle: mimikama.org, Andre Wolf, 2025
Supermarkt: So läuft die Manipulation der Lebensmittelbranche
Lügen im Supermakt! Mit diesen Tricks manipuliert uns die Lebensmittelbranche tagtäglich
Beim Einkauf im Supermarkt lauern jede Menge Fallstricke auf Verbraucherinnen und Verbraucher.
Fettarm, ohne Zucker und mit natürlichem Aroma – die Verpackungen im Supermarkt versprechen allerhand. Doch das meiste davon ist nicht so, wie es zunächst scheint.
In kaum einem Bereich wird so viel getrickst wie beim Verkauf von Lebensmitteln. Unterschlagene Informationen, beschönigende Formulierungen, Greenwashing und falsche Werbeversprechen sorgen dafür, dass Verbraucher und Verbraucherinnen zweimal hinschauen sollten, wenn sie im Supermarkt unterwegs sind.
Zusätzlich erschwerend gibt es zahlreiche Grauzonen, die gerne von den Lebensmittelherstellern ausgenutzt werden. Wir verraten, worauf du ab sofort beim Einkaufen achten solltest.
Gesund einkaufen: Gar nicht so einfach
EXPRESS.de hat mit der Journalistin und Autorin Anita Horn gesprochen. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Is(s) gut jetzt!“ hat sie sich unter anderem intensiv mit gesunder Ernährung und den Tricks der Lebensmittelindustrie auseinandergesetzt.
Dabei herausgekommen, ist nicht nur ein Ratgeber für gesunde Ernährung, sondern auch ein Werk, das die häufigsten Tricks der Lebensmittelhersteller aufdeckt. Im Interview hat sie verraten, worauf Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf achten sollten, um nicht an der Nase herumgeführt zu werden.
Vorsicht beim Einkauf: So tricksen die Lebensmittelhersteller
Frische Milch von glücklichen Kühen, lachende Käsebauern und Joghurt mit viel Obst: Was auf den ersten Blick gesund aussieht und so wirkt, als käme es aus guten Bedingungen, ist lediglich ein Werbetrick, der uns zum Kauf anregen soll. Viele Hersteller setzen vor allem auf folgende Tricks:
- Clean Labeling: Werbeversprechen wie „Ohne Zucker“ auf der Vorderseite der Verpackung vermitteln den Eindruck eines gesunden Produkts. Schaut man bei den Zutaten auf der Rückseite aber genauer hin, versteckt sich Zucker dort häufig in anderer Form und mit anderer Bezeichnung, wie zum Beispiel als „Traubensaftkonzentrat“ oder „Fruktose“.
- Health Labeling: „Mit Cerealien“, „Vitaminreich“, „Fettarm“ – viele Verpackungen werben mit gesundheitsfördernden Zutaten. Das Problem: Es kann letztendlich nur ein Prozent Cerealien enthalten sein. Auch hier sollte man ganz genau hinschauen.
- Aromen & Zusatzstoffe: Wasser mit Erdbeergeschmack oder Gebäck mit Vanille – was als natürliches Aroma deklariert wird, muss nicht zwangsläufig aus den ursprünglichen Lebensmitteln stammen. Natürliches Vanillearoma kommt zum Beispiel nicht unbedingt aus der teuren Vanilleschote, sondern kann auch aus ganz anderen pflanzlichen Bestandteilen und Lebensmittel extrahiert und hergestellt werden.
Mit diesen Tricks wirst du im Supermarkt manipuliert
Jeder kennt es: Man möchte nur schnell ein paar Kleinigkeiten einkaufen und am Ende ist der Einkaufswagen bis oben hin gefüllt. Ohne es zu merken, werden wir im Supermarkt manipuliert und zum Kauf von möglichst vielen Produkten animiert. Welche fiesen Tricks die Läden anbieten, zeigt dir Express.de in der Bildergalerie.
Im Laufe der Zeit wurden die Einkaufswagen immer größer. Denn je voluminöser der Wagen ist, desto kleiner, beziehungsweise weniger wirkt der Inhalt. Das vermittelt das Gefühl, zu wenig gekauft zu haben und führt zu Impulskäufen. (Symbolfoto vom 11. April 2017)
Die selbstschließende Lichtschranke am Eingang dient nicht nur dem Diebstahlschutz. Sie zwingt jeden Kunden zu einer ganzen Runde durch den Laden, auch wenn man es sich anders überlegt hat oder nur etwas aus dem Eingangsbereich benötigt.
Konsumforschende haben herausgefunden, dass sich Kundinnen und Kunden wohler fühlen, wenn sie gegen den Uhrzeigersinn laufen und somit mehr kaufen. Supermärkte haben ihren Eingang also in der Regel rechts, sodass der Weg des für die Kundschaft linksherum geht.
Viele Supermärkte haben eine kleine Bäckerei am Eingang. Wer kann schon dem Duft von frischen Brötchen widerstehen? Und wenn man schonmal drin ist, kann man auch noch ein paar Einkäufe erledigen…
Fast immer finden wir frisches Obst, knackiges Gemüse oder auch Blumen direkt am oder vor dem Eingang. Die Farben und Düfte regen die Sinne an. Das hebt nicht nur die Stimmung und lockt uns in die Läden, sondern führt auch zu impulsgetriebenen Käufen.
Auf Augenhöhe platzierte Artikel werden am häufigsten gekauft. Deswegen stehen hier die teuersten Produkte. Hersteller müssen sogar sogenannte „Placement fees“ zahlen, wenn ihre Artikel hier stehen sollen. Die Produkte, die höher, beziehungsweise tiefer platziert sind, bieten jedoch meist eine ähnlich gute Qualität für einen kleineren Preis. Süßigkeiten und Spielzeug wird auch auf Augenhöhe platziert – jedoch meistens auf der von Kindern.
Supermärkte verwenden oft farbiges Licht, um blasse Lebensmittel appetitlicher aussehen zu lassen. Käse wird gelblich, Fleisch rot und Fisch häufig mit bläulichem Licht angestrahlt.
Hintergrundmusik wirkt am ehesten als Wohlfühlfaktor, wenn die Kunden und Kundinnen sie unbewusst wahrnehmen. Vormittags läuft also eher Schlagermusik für die Rentner, abends Popmusik für die jüngere Einkäuferschaft.
Mit Sonderangeboten versuchen die Unternehmen sparsame Menschen in den Laden zu locken. Auf die andere Kundschaft haben sie die Wirkung, dass alles so günstig erscheint, so dass gar nicht auf Preise geachtet werden muss.
Probierhäppchen geben Kunden nicht nur die Möglichkeit, Produkte zu kosten. Damit sollen wir zum Kauf von Dingen angeregt werden, die wir eigentlich gar nicht wollen, aber später nicht mehr ablehnen können.
Bereiche wie die Weinabteilung sind häufig kleine, elegante Shops im eigentlichen Supermarkt. In dieser anderen Umgebung akzeptieren wir unbewusst auch andere Preise. Selbstverständlich sind diese höher.
Um den Kunden in seinem schnellen Einkauf etwas zu bremsen, werden oft Waren auf Paletten mitten in den Weg gestellt. Diese „Stopper“ sollen suggerieren, dass es hier etwas nur für kurze Zeit gibt und wir dieses Angebot besser schnell nutzen sollten.
Alle Waren sind im Einkaufswagen, also ab zur Kasse. Aber nach so einem anstrengenden Einkauf haben wir es sich natürlich auch verdient, die ein oder andere Süßigkeit mit auf das Kassenband zu legen. Die Schokoriegel sind einfach zu verlockend, wenn sie an der Kasse in der Auslage liegen.
Mit einer Kundenkarte oder einem Sammelheft bekommen Kunden und Kundinnen kleine Rabatte für ihre Treue. Doch auch das Geschäft profitiert, denn so sammeln sie nicht nur Daten, sondern binden die Kundschaft auch für die Zukunft.
„Marktfrische Äpfel, gespritzt“: Potenziell krebserregend
Läuft man im Supermarkt durch die Obst- und Gemüseabteilung, findet man alleine bei den Äpfeln schon eine riesige Auswahl. Von Bio, über regional bis hin zum importierten Produkt aus Neuseeland. Doch neben dem Herkunftsland findet man in der Regel keine zusätzlichen Infos zum Obst.
Auch lesen: Vorsicht: Mit diesem Trick manipulieren uns die Supermärkte
Laut Anita Horn ist das ein großes Problem, denn ein Großteil der Äpfel ist gespritzt und damit mit Pestiziden verseucht. Ob Käufer und Käuferinnen noch immer zu den roten Äpfeln greifen würden, wenn „Äpfel, mehrmals gespritzt“ dranstände? Vermutlich nicht, doch genau diese Informationen sollten laut der Autorin neben dem Obst vermerkt sein. „Pflanzenschutzmittel werden pro Saison bis zu 38 Mal an den Apfelbäumen eingesetzt“, erklärt sie. „Gegen Würmer, gegen Käfer, dagegen, dass die Äpfel zu früh vom Baum fallen…“.
Glyphosat, das am häufigsten eingesetzte Pflanzengift der Welt, ist beispielsweise weiterhin erlaubt, obwohl zahlreiche Studien der WHO es als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufen.
Laut Anita Horn haben Verbraucher und Verbraucherinnen diverse Möglichkeiten, um sich davor zu schützen. Neben dem Kauf von Bio-Produkten – am besten direkt beim Bauern –, haben auch Discounter mittlerweile ein großes Bio-Sortiment. Greife man dennoch zu normalem Obst und Gemüse, solle man es vor Verzehr sehr gründlich waschen.
Auch interessant: Supermarkt-Lüge entlarvt: Hier sollten Kunden aufpassen
Irreführung im Supermarkt: So kann man ihr entgehen
Es wird deutlich: Gesund einkaufen, ist gar nicht so leicht, wie es einem im Supermarkt suggeriert wird. Was kann jeder einzelne von uns also tun, dem seine Gesundheit etwas wert ist? Anita Horn gibt jedem folgende Tipps mit:
- Natürliche, frische Lebensmittel kaufen.
- Auf ultra-hochverarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte (weitestgehend) verzichten, diese enthalten Geschmacksverstärker und weitere Zusatzstoffe.
„Jeder trägt selbst Verantwortung für seine eigene Gesundheit und sollte nicht darauf warten, dass die Politik etwas unternimmt“, erklärt Anita Horn. Ab sofort sollten wir beim Einkauf also alle etwas genauer hinschauen.
Quelle: express.de; Nicola Pohl; 12.06.2024
Ein Experte erklärt, wie die Lebensmittelbranche euch manipuliert — und wie ihr euch dagegen wehren könnt
65.000 Produkte zur Auswahl: Der neue Supermarkt-Tempel Zurheide in Düsseldorf soll Einkaufen zum Erlebnis machenZurheideWerbung ist für Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Kundengewinnung. Viele Konzerne sind bereit, horrende Summen zu bezahlen, wenn ihre Spots eine große Masse an Menschen sieht. Ein gutes Beispiel dafür ist der jährlich stattfindende Super Bowl, das wichtigste Spiel im US-amerikanischen Profi-Football: Mehrere Hundert Millionen Menschen sehen jedes Jahr das Finale der US-Football-Liga NFL, was die Werbekosten für Firmen in die Höhe schnellen lässt: Ein 30-sekündiger Werbeplatz kostete in diesem Jahr fünf Millionen US-Dollar (4,4 Millionen Euro).
In Deutschland sind es besonders die internationalen Großkonzerne, die massiv in Werbung investieren. Laut Statista hat der US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble von Januar bis Juni dieses Jahres bereits 437 Millionen Euro für Werbung hierzulande ausgegeben — gefolgt vom italienischen Süßwarenhersteller Ferrero mit 210 Millionen Euro und L’Oréal mit 170 Millionen Euro. Auf Platz vier dann die erste deutsche Firma: Der Discounter Lidl investierte im ersten Halbjahr in Deutschland der Statistik zufolge 162 Millionen Euro in Werbung.
Werbung will uns Glück verkaufen
Die Bedeutung sollte damit klar sein — und auch bei der Gestaltung der Spots und Anzeigen wird heute nichts mehr dem Zufall überlassen. Rein plakative Aussagen oder banale Spots gehören der Seltenheit an. Es geht darum, die Menschen dort zu erreichen, wo sie manipuliert werden können. Dieser Ansicht ist jedenfalls Robert Lustig, Kinderarzt aus den USA, der sich in einem aktuellen Buch mit der Werbeindustrie auseinandersetzt. „Brainwashed: Wie die Lebensmittelindustrie unser Glücksempfinden verändert, mit Werbung unsere Bedürfnisse manipuliert – und wie wir uns dagegen wehren können“ lautet der Titel seines Buches.
„Jede Werbung manipuliert uns — das ist auch die Aufgabe von Werbung“, sagt Lustig im Gespräch mit Business Insider Deutschland. „Aber Konzerne unterscheiden bewusst nicht zwischen den Begriffen ‚Vergnügen’ und ‘Glück’. Dadurch können sie süchtigmachende Produkte verkaufen, während den Verbrauchern vorgemacht wird, sie würden sich Glück kaufen.“
Die Themen Glück und Belohnung spielen eine große Rolle in Lustigs Buch. Eine seiner Kernthesen: Die Konzerne sind darauf aus, das Belohnungszentrum der Menschen zu erreichen und sie über diesen Weg vermeintlich glücklich zu machen. Verantwortlich im Gehirn ist dafür der Neurotransmitter Dopamin. „Dopamin sagt dem Gehirn: ‘Das fühlt sich gut an — ich will mehr davon.’“, beschreibt es der Mediziner.
Werbung will unser Belohungszentrum ansprechen
Doch das allein genüge den Konzernen heute nicht mehr: „Gleichzeitig ist auch eine Spur Angst wichtig, denn sie deaktiviert den präfrontalen Cortex im Gehirn, wodurch das Belohnungszentrum noch stärker enthemmt und der Konsument noch stärker zum Kauf verführt wird“, so der Autor. Etwas genauer erklärt diese Funktion eine Studie der Columbia University in den USA und der Universitäten Basel und Zürich aus dem Jahr 2010. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass dem erwähnten präfrontalen Cortex eine wichtige Rolle beim Belohungsaufschub zukommt. Ist der Teil des Gehirns aktiviert, ist ein Aufschub kaum noch möglich, so die Forscher.
Dieses Zusammenspiel der Biochemie in unseren Köpfen machen sich die Werbeabteilungen von Konzernen zu Nutze. Auch die digitalen Medien sorgen mitunter dafür, dass wir noch anfälliger für Manipulation durch Werbung werden. Persönliche Daten in sozialen Netzwerken helfen Firmen dabei, gezieltere Werbung für jeden einzelnen zu erstellen, was auch als Targeting bezeichnet wird. Auch Wahlen lassen sich auf diesem Weg beeinflussen, ist sich Lustig sicher und zieht das Brexit-Votum und die US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 als Beispiele heran.
Immer wieder wird darüber gesprochen, dass diese Wahlen durch gestohlene Datensätze von Facebook möglich gemacht wurden — laut Lustig, indem die Dopamin-Konzentration der Menschen beeinflusst wurde. „Der Dopamin-Level im Körper nimmt einen U-förmigen Verlauf. Zu wenig Dopamin und man ist lethargisch, zu viel Dopamin sorgt dafür, dass man gereizt wirkt“, erklärt Lustig. Nachdem der Datensatz an Cambridge Analytica gelangt sei, habe die Firma gezielt mit Werbeanzeigen den Dopamin-Level der Nutzer erhöht. Das Ziel: Die Menschen sollten sich dermaßen gereizt fühlen, dass sie wählen, ohne die Konsequenzen ihrer Stimmabgabe zu überblicken, erklärt der Mediziner.
Zucker und Glück: Wichtige Schlagworte der Werbeindustrie
Freigesetzt wird Dopamin im übrigen durch Zucker. Obwohl man heute weiß, wie ungesund Zucker auf den Körper wirkt und dass er ausschlaggebend für Übergewicht ist, gehört der Griff zum Schokoriegel und zu Softdrinks für viele zum Alltag. „Zucker macht genauso süchtig wie Kokain, Nikotin und Alkohol — es ist nur der günstigste aller Rausche, weil er ständig verfügbar ist. Die Industrie weiß: Je mehr Zucker sie in ein Produkt steckt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Konsumenten das Produkt wieder kaufen.“
Die Kette ist also folgende: Glück ver- und das Belohungszentrum ansprechen. Somit wird es schwer, dem Griff zur Schokolade zu widerstehen. Robert Lustig hat uns auch einen Link zu einem Youtube-Video geschickt, der dieses Strategie auf die Spitze treibt. Als der Song „Happy“ von Pharell Williams veröffentlicht wurde, ging gleichzeitig die Website „24hoursofhappy.com“ live — nach Angaben des Sängers das erste 24-stündige Musikvideo der Welt.
In einer Sequenz des Videos läuft Williams dabei durch ein Geschäft und deckt sich — immer die Marke in die Kamera haltend — mit süßen Produkten ein: Glück und Zucker damit also vereint.
Auch auf eine Anzeige von Kellogg’s verweist Lustig: Auch hier wird in der Anzeige „Der Weg zum Glück“ mit dem Produkt in Verbindung gebracht. Unternehmen, die es also schaffen, den Konsumenten denken zu lassen, sie würden für persönliches Glück sorgen, haben ihr Ziel so gut wie erreicht.
So wehrt man sich gegen manipulative Werbung
Da diese Art der Werbung unterschwellig funktioniert, ist es schwer, sich dagegen zu wehren — aber nicht unmöglich. „Zunächst gilt es, die eigene Zufriedenheit zu steigern, die dem Körper sagt: ‘Das fühlt sich gut an, aber ich möchte und brauche nicht mehr davon’“, erklärt Lustig. Geregelt werde dies durch den Botenstoff Serotonin. „Um den Serotonin-Spiegel zu erhöhen, sind Empathie und der Kontakt zu anderen Menschen wichtig — aber nicht via Social Media, sondern von Angesicht zu Angesicht“, so der Mediziner weiter. Damit sind wir auch schon bei der Frage, wie man sich gegen die Manipulation der Werbung wehren kann. Der Serotonin-Spiegel ist dabei ein wichtiger Punkt. Neben dem persönlichen Kontakt sind dafür noch andere Dinge ausschlaggebend. „Eine Ernährung aus frischen Produkten erhöht den Serotonin-Spiegel, während gleichzeitig der Dopmanin-Spiegel sinkt. Bei Fertigessen ist es genau andersherum. Kocht mit Freunden oder der Familie und esst gemeinsam und ihr deckt bereits zwei wichtige Punkte ab, um euch gegen eine Manipulation zu wehren“, so Lustig, der noch hinterherschiebt: „Und schaltet dabei euer Smartphone aus.“
Quelle: businessinsider.de, Christoph Damm, 21 Aug 2018
Wie die Lebensmittelindustrie mit „Salz, Zucker, Fett“ die Geschmacksnerven manipuliert
Verkauf von Coca-Cola an Kunden, die als „starke Konsumenten“ bezeichnet werden. Verkauf an Jugendliche, um sie lebenslang an die Marke zu binden. Wissenschaftliche Optimierung des Verhältnisses von Salz, Zucker und Fett, um das Glücksgefühl der Verbraucher zu maximieren.
In seinem neuen Buch Salt Sugar Fat: How the Food Giants Hooked Us (Salz, Zucker, Fett: Wie die Lebensmittelgiganten uns süchtig machten) taucht der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist Michael Moss in die Welt der verarbeiteten und verpackten Lebensmittel ein.
Moss beginnt seine Erzählung im Jahr 1999, als ein Vizepräsident von Kraft vor einer Versammlung der Top-Führungskräfte der größten Lebensmittelunternehmen Amerikas sprach. Sein Thema: die wachsenden Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich der Adipositas-Epidemie und die Rolle, die verpackte und verarbeitete Lebensmittel dabei spielten. Michael Mudd trug seinen Fall vor und bat seine Kollegen eindringlich, der Gesundheitskrise Aufmerksamkeit zu schenken und zu überlegen, was Unternehmen tun könnten, um sich ihrer Verantwortung zu stellen.
Laut Moss kam die erste Reaktion vom CEO von General Mills.
„[Er] stand auf und brachte einige sehr überzeugende Argumente aus seiner Sicht vor“, erzählt Moss Dave Davies von Fresh Air, “und zu seinen Argumenten gehörte Folgendes: Wir bei General Mills sind nicht nur den Verbrauchern, sondern auch den Aktionären gegenüber verantwortlich. Wir bieten Menschen, die sich Gedanken über den Verzehr dieser Produkte machen, Produkte an, die fett- und zuckerarm sind und Vollkorn enthalten.
„Das Entscheidende ist jedoch, dass unsere Produkte gut schmecken müssen, denn wir sind auch unseren Aktionären gegenüber verantwortlich. Und wir können auf keinen Fall damit anfangen, den Salz-, Zucker- und Fettgehalt zu reduzieren, wenn das Endergebnis etwas ist, das die Menschen nicht essen wollen.“
In Salt Sugar Fat beschreibt Moss ausführlich, wie diese drei Zutaten zum Schlüssel für den Erfolg von verarbeiteten und verpackten Lebensmitteln wurden – und wie sie die landesweite Adipositas-Epidemie befeuern.
Die verarbeitende Lebensmittelindustrie beschäftigt Wissenschaftler, die die Elemente des Gaumens analysieren und die Verhältnisse von Salz, Zucker und Fett optimieren, um den Geschmack zu verbessern. Laut Moss hat sie die Verbraucher auf die gleiche Weise von ihren Produkten abhängig gemacht, wie die Zigarettenindustrie die Raucher vom Nikotin abhängig gemacht hat.
Seit dem Treffen im Jahr 1999, bei dem Führungskräfte es ablehnten, einen branchenweiten Standard für gesündere Produkte zu entwickeln, haben einige Unternehmen, wie Kraft, das Problem einseitig in Angriff genommen und die Rezepturen geändert, um den Salz-, Zucker- und Fettgehalt zu reduzieren. Moss’ Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass staatliche Regulierungen notwendig sein könnten, um branchenweite Standards im Interesse der öffentlichen Gesundheit durchzusetzen.
Michael Moss ist ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Reporter der New York Times.
„Ich war überrascht, vom ehemaligen CEO von Philip Morris, der kein Freund der Regierung und kein Freund staatlicher Regulierung ist, zu hören, dass er mir sagte: „Schau, Michael, im Fall der verarbeiteten Lebensmittelindustrie ist das, was du siehst, die völlige Unfähigkeit ihrerseits, sich gemeinsam dafür zu entscheiden, das Richtige für die Verbraucher in Bezug auf das Gesundheitsprofil ihrer Produkte zu tun. In diesem Fall kann ich verstehen, dass Sie eine staatliche Regulierung brauchen, und sei es nur, um die Unternehmen vor dem Druck der Wall Street zu schützen.“
Interview-Highlights
Zur Marketingkampagne für Frosted Mini-Wheats, in der das Müsli als „Gehirnnahrung“ bezeichnet wurde
„Sie haben sich eine Studie ausgedacht, die sie selbst erstellt hatten und die angeblich zeigte, dass Kinder, die Frosted Mini-Wheats zum Frühstück aßen, im Unterricht genauso aufmerksam oder fast 20 Prozent aufmerksamer waren, was das Unternehmen in bessere Noten für Kinder umrechnete. … Man konnte fast sehen, wie Eltern versuchten, die Rechnung aufzustellen: „Na ja, weißt du, Johnny hat in diesem Test eine 3+ bekommen, und wenn wir das um 20 Prozent verbessern, dann ist er in der Kategorie A-minus.“ Diese Kampagne lief eine Weile, bis die FTC einschaltete und sagte: „Hey, Moment mal, wir sehen uns Ihre Studie an und sie zeigt nicht wirklich einen Gewinn in dieser Größenordnung, und nicht nur das, sie haben sich nicht einmal andere Frühstücksprodukte angesehen, um sie mit den Frosted Mini-Wheats zu vergleichen.“
Bei Coca-Cola bezeichnete man seine besten Kunden nicht, wie man vielleicht denken könnte, als „Verbraucher“ oder „treue Fans“ oder so etwas. Sie wurden als „starke Nutzer“ bezeichnet.
Michael Moss
Über die Marketingstrategie von Coca-Cola
„Bei Coca-Cola bezeichnete man seine besten Kunden nicht etwa als „Verbraucher“ oder „treue Fans“, wie man vielleicht meinen könnte. Sie wurden als „starke Nutzer“ bezeichnet. Und Coca-Cola hatte eine Formel … die im Grunde besagte: „20 Prozent der Menschen werden 80 Prozent des Produkts verwenden.“ Und aus der Sicht von Coca-Cola lohnte es sich mehr, sich auf diese 20 Prozent zu konzentrieren, die 80 Prozent des Produkts konsumierten, als zu versuchen, den Konsum der anderen 80 Prozent zu steigern. So wurden die starken Konsumenten von Limonade zu den Menschen, die bis zu 1.000 Dosen Limonade pro Jahr tranken, manchmal sogar mehr.“
Wie man Teenager an die Marke bindet
„Die Kundschaft bestand aus Kindern – Teenagern –, die zum ersten Mal allein mit ein wenig Kleingeld in eine Umgebung gingen, in der sie selbst entscheiden konnten, was sie kaufen wollten, und für 1 oder 2 Dollar konnten sie dort hingehen und sich eine Limonade oder einen Snack aussuchen und sich zwischen verschiedenen Marken entscheiden. Und das war für Coca-Cola, wie auch für andere Unternehmen, von entscheidender Bedeutung, denn diese Entscheidungen in jungen Jahren, insbesondere in den Teenagerjahren, entwickeln Markenloyalität. Ein Kind, das sich mit 13 oder 14 Jahren für Pepsi entscheidet, wird diese Markentreue wahrscheinlich für den Rest seines Lebens beibehalten.“
Sponsorenbotschaft
Über die Weitsicht von Kraft-Eigentümer Philip Morris in Bezug auf verarbeitete Lebensmittel
„Als Philip Morris wegen Nikotin und Zigaretten unter Druck geriet, begann das Unternehmen schließlich, die Lebensmittelabteilungen angesichts der aufkommenden Adipositaskrise unter die Lupe zu nehmen. In diesen internen Dokumenten gab es Momente, in denen die Verantwortlichen von Philip Morris der Lebensmittelabteilung mitteilten: „Ihr werdet ein Problem mit Salz, Zucker und Fett bekommen, das in Bezug auf Fettleibigkeit das gleiche Ausmaß hat, wenn nicht sogar größer ist als das, was wir jetzt mit Nikotin haben. Und ihr müsst anfangen, über dieses Problem nachzudenken und wie ihr damit umgehen werdet.“
Über den Besuch bei Kellogg
„Sie haben für mich spezielle Versionen einiger ihrer bekanntesten Produkte hergestellt … ohne Salz, um mir zu zeigen, warum sie Probleme hatten, weniger zu essen. Und ich muss sagen, es war eine schreckliche Erfahrung. … angefangen mit Cheez-Its, die ich normalerweise den ganzen Tag essen könnte. Die Cheez-Its ohne Salz klebten an meinem Gaumen und ich konnte kaum schlucken. Dann kamen gefrorene Waffeln an die Reihe, die wie Stroh schmeckten. Der eigentliche Moment kam, als ich ein Müsli probierte – ich glaube, es waren Cornflakes –, das extrem metallisch schmeckte. Es war fast so, als wäre eine Füllung aus meinem Mund gekommen und hätte darin herumgeschwappt.“
Quelle: npr.org; Nell Boeschenstein, 2013