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Kurz zu Kleinwalsertal
„Gewisse Dinge kann man nicht planen“
Ohne Maske und Mindestabstand inmitten einer Menschentraube: Der Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Vorarlberger Kleinwalsertal sorgte am Donnerstag für Aufregung. Von der Opposition hagelte es Kritik, das Bundeskanzleramt versuchte zu kalmieren. Kurz sagte am Donnerstagabend, dass man „gewisse Dinge“ nicht planen könne. 14. Mai 2020, 22.40 Uhr
Der Bundeskanzler war am Mittwoch im Kleinwalsertal zu Gast. Die Bilder des Besuchs, wie sie auch vom Bundeskanzleramt publiziert wurden, zeigen eine große Menschenmenge, in welcher der laut geltender Covid-19-Lockerungsverordnung vorgeschriebene Mindestabstand von einem Meter beim Betreten öffentlicher Orte im Freien kaum eingehalten wird. Auch Masken sind in der Menge kaum zu sehen, teilweise werden sie um den Hals getragen.
Kurz sagte am Donnerstagabend in der ZIB2, dass man versucht habe, sich gut auf den Besuch im Kleinwalsertal vorzubereiten. Aber: „Gewisse Dinge kann man nicht planen“, sagte Kurz mit Blick auf das Zusammenströmen von Dutzenden Menschen bei seinem Besuch. Jene, die den Mindestabstand nicht eingehalten haben, hätten Fehler gemacht. Aber man müsse auch bedenken, dass die Menschen im Kleinwalsertal „besonders gelitten“ hätten und „de facto zehn Wochen“ von der Außenwelt abgeschnitten gewesen seien.
Frage: Sehen Sie das so wie ich, das Kurz auch von sich selbst redet, wenn er sagt, dass das nicht einhalten des Mindestabstandes ein Fehler war?
ZIB 2, 14.5.2020 Dieses Video ist nicht mehr verfügbar. Video aus rechtlichen Gründen nicht mehr verfügbar.
„Menschen waren respektvoll“
Der Bundeskanzler erwähnte aber auch Journalisten und Journalistinnen, die den Mindestabstand ebenfalls nicht eingehalten hatten. „Es gab eine große Traube an Journalisten. Ich habe sie aufgefordert, Abstand zu halten“, so Kurz. Bei manchen habe es geklappt, bei anderen weniger. Das Sicherheitsteam habe ebenfalls versucht, die Menge um mehr Abstand zu bitten. „Die meisten Menschen waren respektvoll“, hätten zwar den Abstand zum ihm, Kurz, gehalten, aber nicht untereinander, sagte Kurz weiter.
Die Gemeinde hatte zwar darauf hingewiesen, dass es wegen der Coronavirus-Krise keine öffentliche Veranstaltung mit dem Bundeskanzler gibt. Geholfen hat es aber wenig. Zur Frage, warum keine Polizei anwesend war, um die Menschentraube aufzulösen, sagte Kurz: „Wir leben im kleinen Österreich. Das ist ein sicheres Land. Ich reise nicht wie die deutsche Bundeskanzlerin (Angela Merkel, Anm.) mit Polizeikonvois durch das Land.“ Manchmal seien zwei Beamte der Cobra dabei, wie auch im Kleinwalsertal. Auch sie hätten den Kanzler bei seinem Bemühen, um Abstand zu bitten, unterstützt.
Man solle auch daran denken, dass es derzeit keine strikten Ausgangsbeschränkungen mehr gebe. „Es ist erlaubt, wieder rauszugehen“, so Kurz, der auch an die Eigenverantwortung der Bürger und Bürgerinnen appellierte.
Strenge Regeln für Bundesländertage
Aus dem Besuch im Kleinwalsertal zog das Bundeskanzleramt jedenfalls den Schluss, ein neues Sicherheitskonzept für die Bundesländertage von Kurz zu erarbeiten. Mit recht strengen Vorgaben und in enger Kooperation mit der Polizei bemüht man sich, künftig „spontane Menschenansammlungen“ zu vermeiden und den Einmeterabstand zu gewährleisten.
Die Ankunftszeiten werden künftig nicht mehr im Vorfeld veröffentlicht. Bei Medienterminen werden Kamerateams und Reporter mit Bodenmarkierungen auf – Coronavirus-Schutz-gerechtem – Abstand gehalten. Für Indoor-Medientermine wird es „geregelten Einlass“ geben. Outdoor-Termine sollen von der Polizei gesichert werden. Für „Austausch mit der Bevölkerung“ werden der Kanzler, Minister und Ministerinnen Sprechstunden in den Bundesländern abhalten.
Kritik von SPÖ, NEOS und FPÖ
Die Opposition hatte auf den Besuch des Bundeskanzlers mit heftiger Kritik reagiert. NEOS zeigte sich empört. „Was man gestern gesehen hat, entbehrt jeglicher Ernsthaftigkeit und jeglichen Verantwortungsbewusstseins“, kritisierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Tausende Künstler dürften nicht im Freien auftreten und würden um ihre Existenz bangen, während sich Kurz inszeniere. Sie erwartet sich eine Entschuldigung von Kurz und Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP).
ZIB 9:00, 14.5.2020 Dieses Video ist nicht mehr verfügbar. Video aus rechtlichen Gründen nicht mehr verfügbar.
Heftige Kritik kam auch von der SPÖ. Kurz stehe nicht über dem Gesetz, so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in einer Aussendung, der ebenfalls die Strafen anführte, die es für das Nichteinhalten von Abstandsregeln seit Wochen gebe. Tausende Menschen müssten zudem den ganzen Tag mit Atemschutz arbeiten. Leichtfried sah eine „Verhöhnung“ der Bevölkerung sowie der Hunderttausenden Arbeitslosen und Tausenden Unternehmen, die vor existenzbedrohenden Situationen stehen.
Auch die FPÖ vermisste den Mindestabstand sowie Masken. Kurz führe seine eigenen Regeln ad absurdum, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl am Donnerstag. Lege man die Maßstäbe von Kurz und von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an, sei der Bundeskanzler „eindeutig ein ‚Lebensgefährder‘“. Die neue Normalität, also der Ausnahmezustand, den der ÖVP-Kanzler den Österreichern zumute, gelte für ihn selbst offenbar nicht, so Kickl.
Keine Stellungnahme von Anschober
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wollte zu den Bildern aus dem Kleinwalsertal nicht Stellung nehmen. Auf mehrere Nachfragen zur nicht eingehaltenen Abstandsregel bei der Veranstaltung antwortete Anschober bei einer Pressekonferenz ausweichend oder gar nicht. Er erläuterte nur allgemein, wie wichtig es sei, jetzt eine zweite Infektionswelle zu vermeiden, und fügte hinzu: „Das gilt für ganz Österreich.“
Das Bundeskanzleramt reagierte Donnerstagfrüh auf die Kritik. Obwohl man sich in der Organisation im Vorfeld und beim Besuch direkt darum bemüht habe, sei von Bewohnern und Medienvertretern „teilweise der Mindestabstand leider nicht eingehalten“ worden, hieß es. Es sei kein Treffen mit der Bevölkerung vorgesehen gewesen.
Das wurde gestern noch von der Gemeinde im #Kleinwalsertal verteilt: Es gibt KEINE öffentliche Veranstaltung mit dem Bundeskanzler, es ist ABSTAND zu halten & eine Annäherung an die Delegation ist zu unterlassen… pic.twitter.com/CzPiOlX4OS— Etienne Berchtold (@ebphilipp) 14. Mai 2020
Der vereinbarte Termin mit den Gemeindevertretern von Mittelberg habe in zwei kleinen Runden und mit einem Sicherheitsabstand von zwei Metern stattgefunden. Die Gemeinde habe der Bevölkerung vor dem Besuch mitgeteilt, dass aufgrund der Coronavirus-Regeln keine öffentliche Zusammenkunft mit Kurz möglich sei. Auf dem Weg ins Walserhaus habe der Kanzler daher die Bevölkerung und die Medienvertreter auf der Straße mehrmals gebeten und aufgerufen, die Abstandsregeln einzuhalten, so ein Sprecher. Im Video des Auftritts ist als Reaktion auf einen solchen Aufruf Gelächter zu hören.
Der „Standard“ schreibt über den Ablauf, dass Kurz eigentlich über den Hintereingang ins Walserhaus gehen sollte, laut Frischmann sei der Wagen in der Menge stecken geblieben, daher seien die Pläne geändert worden. Frischmann dementierte laut „Standard“ eine Version aus Vorarlberg, dass Kurz selber gesagt habe, dass er angesichts der wartenden Fans lieber den Vordereingang nutzen wolle – zwischen 100 und 150 Schaulustige seien dort gewesen, so der „Standard“.
Bundeskanzleramt verweist auf Regeln
Das Kanzleramt wies seinerseits darauf hin, wie wichtig es sei, weiterhin die Regeln zu befolgen: „Egal ob man den Bundeskanzler oder Freunde auf der Straße trifft: Der Abstand ist einzuhalten.“ Mit der Maske halte es Kurz in den Bundesländern nicht anders als in Wien: Bei Bewegungen in geschlossenen Räume trage er Mund-Nasen-Schutz, im Freien nicht. Österreich Bürgermeister bittet um Verständnis
Der Mittelberger Bürgermeister Andi Haid bedauerte am Donnerstag, dass die Abstandsregel vielfach nicht eingehalten worden war. Er bat um Verständnis für die Emotion der Bevölkerung, die für mehrere Wochen unter „De-facto-Quarantäne“ gestanden sei. Es seien am Besuchstag Flugblätter mit den Covid-19-Regeln verteilt worden, die Menschen seien von Wallner und Kurz mehrfach zum Abstandhalten aufgefordert worden. „Das Zusammenrücken war der Emotion geschuldet“, so Haid.
Das Kleinwalsertal war laut offiziellen Angaben wegen seiner besonderen geografischen Lage ausgesucht worden. Die Region ist nur von deutschem Staatsgebiet aus zu erreichen und war so von den Coronavirus-Maßnahmen besonders betroffen. Bis Ende April waren die Menschen trotz überschaubarer Infektionszahlen quasi in Isolation. Kurz musste mittels Transitgenehmigung anreisen.
red, ORF.at/Agenturen
Quelle. Internet. ORF.at, Mai 2020
Frage: Wenn Kurz schon die Leute auffordert den Abstand einzuhalten. Wieso hat er dann mehrere Personen so nahe an sich ran gelassen?
Wo ist denn da seine Einhaltung des Baby-Elefanten-Abstandes?