Zuerst belohnt, dann normiert und bestraft

Wien startet ein Pilotprojekt, das ökologisches Wohlverhalten belohnt. Social-Scoring-Projekte zeigen: In der digitalisierten Gesellschaft schlummert autoritäres Potenzial

Wer viel mit dem Rad fährt oder zu Fuß geht, darf gratis aufs Popkonzert. Die Stadt Wien hat eine Blockchain-basierte App entwickelt, die klimafreundliches Verhalten mit Kulturgutscheinen belohnt. „Mittels Motion Tracking misst die App aktiv zurückgelegte Wege und erkennt automatisch, ob man zu Fuß geht, mit dem Rad fährt oder die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt“, heißt es auf der Website des Projekts. Pro 20 Kilogramm eingesparter CO2-Emissionen erhält man einen „Kultur-Token“, den man in teilnehmenden Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Museen einlösen kann. Wer das Auto stehen und seine Bewegungen tracken lässt, bekommt Kultur geboten. Das Pilotprojekt „Kultur-Token“ soll zunächst „in einer kleinen, geschlossenen Test-Community“ erprobt werden, im heurigen Herbst soll die App dann für alle Wiener zur Verfügung stehen.

Zwar betonen die Beteiligten, dass bei dem Token-Projekt Datenschutz und Privatsphäre gewahrt werden. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, als würde bei diesem „spielerischen Bonussystem“ bloß die Maluskomponente aus jenem chinesischen Sozialkreditsystem ausgebaut, das in diesem Jahr verpflichtend eingeführt wurde und direkt aus der Netflix-Dystopie-Serie „Black Mirror“ stammen könnte. Wer in China bei Rot über die Ampel geht oder betrunken Auto fährt, bekommt Punkteabzüge. Wer Blut spendet oder die Regierung in sozialen Medien lobt, erhält Punkte gutgeschrieben. An den Score sind wiederum Verwaltungsleistungen und Bonifikationen gekoppelt. Bürger, die einen hohen Score haben, erhalten Steuererleichterungen oder eine bevorzugte Behandlung im Krankenhaus. Man braucht nicht mehr den Knüppel, um die Menschen zu disziplinieren, es genügen Punkteabzüge.

Auch für den Wiener Kultur-Token gilt: Überwacht werden muss der Nutzer ja trotzdem, auch wenn seine Daten anonymisiert werden und das Ganze freiwillig ist. Aus machttheoretischer Sicht ist dieses Projekt insofern interessant, als hier Gamifizierungselemente mit Nudging zur Erreichung eines politischen Ziels kombiniert werden. Die Bürger werden quasi per App regiert, ihre Körper, um mit Foucault zu sprechen, einer digitalen Disziplin unterzogen. Gut möglich, dass demokratische Systeme in Zukunft ihren Werkzeugkasten aktualisieren müssen, dass die Digitalisierung sie vielleicht sogar dazu zwingt, bestimmte codeförmige Steuerungsmodi zu implementieren, dass Herrschaft insgesamt klickhafter und möglicherweise autoritärer wird.

Quelle: Adrian Lobe MEDIEN, FALTER 07/20 vom 11.02.2020

ÖVP-Ministerin Schramböck voll auf “Great-Reset”-Kurs

„ID Austria“: Totale Kontrolle, gläserner Mensch und Sozialkredit-System kommen

Bild: Irbsas, Wikimedia

Bild: Irbsas, Wikimedia, CC0 1.0; Bild zugeschnitten

Heimlich, still und leise wird in Österreich der Grundstein für die Totalüberwachung und den gläsernen Menschen gelegt. Im Sommer soll nämlich die über viele Jahre genutzte digitale Handysignatur durch die „ID Austria“ ersetzt werden, kündigte Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) mittels Presseaussendung an. Die Dystopie einer berührungslosen Zukunft, wie sie Naomi Klein vorhersagte (Wochenblick berichtete), rückt immer schneller immer näher. Seitens der FPÖ rechnet man nach den Erlebnissen u.a. mit dem „Kaufhaus Österreich“ wohl mit dem nächsten Bauchfleck der Ministerin und übt scharfe Kritik am Vorhaben.

Gläserner Mensch und totale Kontrolle mittels Sozialkredit-Systems

Die „ID Austria“ soll eine „Weiterentwicklung“ der Handysignatur sein und wird damit beworben, dass sie eine Erweiterung der digitalen Nutzungsmöglichkeiten mit sich bringe. Derzeit arbeitet man an einer Ausweisplattform, die digitale Ausweise, wie etwa den Führerschein am Mobiltelefon, verfügbar machen sollen.

Die “Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten” besteht allerdings vor allem von Seiten des Regimes. Denn die derzeit angebotenen “Services” könnten jederzeit beliebig ausgebaut und um weitere Daten (z.B. Impfstatus und andere Gesundheitsdaten, Kontodaten, Internetverhalten und besuchte Webseiten etc.) ergänzt werden. Es ist also ein riesiger Schritt zum gläsernen Bürger unter totaler Kontrolle und könnte auch als Basis für ein Sozialkredit-System genutzt werden.

Ziel ist eindeutige Online-Identität

Zugang zu dieser Ausweisplattform bekommt man ausschließlich mit der „ID Austria“, verwendbar soll diese dann europaweit sein! „Damit stehen den Nutzerinnen und Nutzern nicht nur die zahlreichen Online-Services in Österreich, sondern auch unzählige Anwendungen in ganz Europa zur Verfügung“, erklärte Schramböck. „In Zukunft kann somit bequem die ‚ID Austria‘ verwendet werden, um ein sicheres Login vorzunehmen und die eigene Identität eindeutig online nachzuweisen“, deutet die ÖVP-Ministerin bereits an, in welche Richtung es künftig gehen könnte, wenn man beispielsweise den Kampf gegen “Falschinformationen” vorschieben würde: keine Internetnutzung ohne vorherigen Identitätsnachweis! Aber das ist natürlich nur eine krude Verschwörungstheorie… – die allerdings bereits bei Facebook Anwendung findet.

Pilotphase bis zum Sommer

Das Projekt „ID Austria“ befindet sich momentan noch in der Pilotphase. Bei rund 430 Behörden (Passbehörden, Landespolizeidirektionen und österreichische Botschaften) kann man sich derzeit über „ID Austria“ registrieren. In Österreich nutzen drei Millionen Menschen derzeit die Handysignatur – also knapp 40 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren. Geht die „ID Austria“ in Vollbetrieb, soll ein Umstieg über einen einfachen Onlineprozess möglich sein. Das gilt allerdings nur für jene, die sich die Handysignatur bei einem Amt besorgt haben. Wer das bei der Post oder A1 gemacht hat, kommt für den Umstieg nicht am persönlichen “Besuch” vorbei.

FPÖ-Deimek ortet nächste “Spitzenleistung” der ÖVP-Ministerin

Scharfe Worte der Kritik am Vorhaben der ÖVP-Digitalisierungsministerin Schramböck äußerte der FPÖ-NAbg. DI Gerhard Deimek in einer Presseaussendung. Für ihn reiht sich die “ID Austria” nahtlos in vorangegangene „Spitzenleistungen“ der Ministerin ein, die er folgendermaßen festhielt: „Nach ‚Kaufhaus Österreich‘, über das man Lamas statt Schuhe bekam, geografischen Schwächen – man erinnere sich an das Land Afrika, gefolgt vom Zahlschein nach Russland, um die SWIFT-Sperre zu umgehen, gibt es nun im ‚Wunderland‘ der Ministerin bald einen neuen digitalen Ausweis“, ließ der freiheitliche Sprecher für Forschung, Innovation und Digitalisierung einige Peinlichkeiten Schramböcks Revue passieren.

Deimek: “Ist nur zu hoffen, dass keine ÖVP-nahe Firma dieses Projekt leitet“

Auch bei diesem „Leuchtturmprojekt von Schramböck“ zeichne sich ab, dass „das Licht recht schnell ausgehen wird“. Denn die „ID Austria“ soll die „eigentlich bestens funktionierende Handy-Signatur ablösen“, fährt Deimek fort und meint, dass das Chaos damit bereits vorprogrammiert sei. „Als Draufgabe müssen all jene Bürger, die ihre Handy-Signatur via Post oder A1 organisiert haben, zu einer Registrierungsbehörde laufen, um dort einen Pin-Code vorzulesen“, kritisiert Deimek, dass der Umstieg doch nicht für alle einfach online vorzunehmen ist und schickt hinterher: „Es ist nur zu hoffen, dass keine ÖVP-nahe Firma unter der Aufsicht von Ministerin Schramböck dieses Projekt leitet“.

Quelle: wochenblick.at, 15.03.2022