Die Notwehr
Der vermutlich bekannteste Rechtfertigungsgrund für eine Rechtsgutverletzung ist die Notwehr – die Legitimierung einer den Umständen angemessenen Abwehr eines rechtswidrigen Angriffes.
Unterschied zum Notstand
Notwehr wird häufig als Unterart des Notstandes verstanden, jedoch gibt es zwei grundlegende Unterschiede. Einerseits bedingt die Notwehr einen unrechtmässigen Angriff, was beim Notstand nicht gegeben sein muss und häufig auch nicht der Fall ist. Beim Notstand muss lediglich eine Gefahr für ein Rechtsgut gegeben sein, woraus sich diese begründet, ist unerheblich. Die Notstandssituation rechtfertigt damit die Opferung eines Rechtsgutes, um ein anderes zu retten. Das Prinzip der Notwehr ist ein anderes, hier gilt im Sinne des Art. 14 StGB, eine Legitimierung der Abwehrhandlung.
Andererseits erlaubt der Notstand den Eingriff in die Rechtsgüter von unbeteiligten Dritten, weshalb auch der Wert der Rechtsgüter in einem hierarchischen Verhältnis stehen müssen. Notwehrhandlungen dagegen sind nur direkt gegen den Angreifer erlaubt und müssen den Umständen angepasst sein; eine hierarchische Wertung wird hierbei nicht gemacht. Geht die Handlung über die Abwehr hinaus, handelt es sich aber nicht mehr um Notwehr und damit auch nicht um rechtmässiges Handeln. Geht die Notwehrhandlung weiter als eine blosse Abwehr, spricht man von einem Notwehrexzess. Das Schweizer Recht nimmt hierbei aber Rücksicht auf die Umstände und mildert die Strafe. Falls Fragen zur Abgrenzung von Notwehr und Notwehrexzess vorliegen, können diese gerne von unseren Anwältinnen und Anwälten für Strafrecht in Zürich, St.Gallen oder Frauenfeld abklären lassen.
Angriff
Der Angriff muss von einem Menschen ausgehen. Dies bedeutet, der Angreifer kann nicht beispielsweise ein Tier sein, ausser jenes wird als Werkzeug oder Waffe für den Angriff verwendet (BGE 102 IV 1). Für Notwehr muss die Rechtswidrigkeit des Angriffs gegeben sein. Das heisst, dass man beispielsweise nicht zuerst angreifen und auf die Reaktion des angegriffenen mit Notwehr reagieren kann.
Zeitlicher Aspekt
Weiter muss die Abwehrhandlung unmittelbar sein, was bedeutet, dass keine Notwehr mehr gegeben sein kann, wenn die Angriffshandlung bereits abgeschlossen ist. Eine Verletzung muss aber nicht abgewartet werden, die Notwehrhandlung kann bereits erfolgen, wenn der Angriff droht. Dafür müssen aber auch Anzeichen dafür vorliegen, eine Vorahnung der Möglichkeit einer Gefahr reicht nicht aus, denn eine Gefahr, die noch nicht besteht, kann auch nicht abgewendet werden.
Berechtigter
Art. 15 StGB legitimiert den Angegriffenen, aber auch jede andere Person, einen rechtswidrigen Angriff abzuwehren, wobei es sich bei letzterem um Notwehrhilfe handelt. Die Notwehrhilfe ist aber im Falle, dass der Angegriffene urteilsfähig ist und keine Hilfe will, nicht rechtmässig. Notwehrhilfe kann in einigen Fällen zur Pflicht werden, beispielsweise bei einer Garantenstellung.
Quelle: www.teichmann-law.ch