So tickt der Bundeskanzler Kurz
Österreich: Sebastian Kurz gerät im Interview mit Armin Wolf zur Corona-Pandemie ins Straucheln
ORF-Moderator gegen Kanzler Kurz »Herr Bundeskanzler, ich unterbreche Sie ganz ungern, aber das stimmt so nicht«
Österreich kämpft mit hohen Corona-Zahlen, die Regierung hat neue Maßnahmen beschlossen. Kanzler Sebastian Kurz schob Migranten aus dem Westbalkan die Verantwortung zu – hatte die Rechnung aber ohne Armin Wolf gemacht.03.12.2020, 11.40 Uhr
»Herr Bundeskanzler, ich unterbreche Sie ganz ungern, aber das stimmt so nicht.«
Mit diesem simplen Satz hat der stellvertretende Chefredakteur des ORF, Armin Wolf, den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz in einem Live-Interview einer falschen Aussage überführt – und wird nun im Netz für seine Parade gefeiert.
Kurz war zum Interview in die Sendung »ZiB 2« gekommen, um neue, strenge Reiseregeln in Österreich zu verteidigen, die über Weihnachten und Silvester gelten sollen. Dabei hielt Moderator Wolf ihm auch seine Aussage vor, dass vor allem aus dem Westbalkan stammende Menschen das Coronavirus nach Österreich eingeschleppt hätten.
Migranten als Sündenböcke
Der ÖVP-Politiker hatte am Mittwoch in einer Pressekonferenz die neuen Maßnahmen zum Kampf gegen das Coronavirus vorgestellt. Neben umfangreichen Schließungen zählt eine zehntägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden aus Corona-Risikogebieten. Kurz sagte zur Begründung, »durch Reiserückkehrer, und insbesondere auch durch Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben« seien »Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt« worden. Insbesondere hob er Reiserückkehrer aus dem Westbalkan als Verantwortliche hervor.
Moderator Armin Wolf zu Kanzler Sebastian Kurz
Zahlreiche österreichische Medien warfen Kurz daraufhin vor, Migranten als Sündenböcke der Coronakrise zu stigmatisieren. Auch Moderator Armin Wolf griff die Anschuldigung im ORF-Interview auf. Ganz viele Menschen mit Migrationshintergrund hätten die Aussage auf der Pressekonferenz »wirklich empörend gefunden«, so Wolf zu Kurz. 70 Prozent der Infektionen seien in Österreich zustande gekommen, sagte der Moderator.
Der Kanzler versuchte noch abzuwiegeln, die Frage der Nationalität habe er gar nicht gestellt. Doch der Moderator unterbrach den Kanzler. Als Kurz darum bat, weiterreden zu können, antwortete Wolf nur: »Bitte nicht, weil das, was Sie gerade sagen, stimmt nicht.« Es sei Kurz explizit um Migranten gegangen, schiebt der Moderator nach – und zitiert die wörtlichen Passagen aus der Pressekonferenz.
Schließlich muss Kurz klein begeben. »Das ist richtig«, sagt der Kanzler. Gemeint habe er, dass im Sommer ein Drittel der Infektionen auf Reiserückkehrer zurückzuführen war – und davon sei ein Großteil im Balkan unterwegs gewesen.
In Österreich gilt seit Mitte November ein strenger Lockdown, die Zahl der Neuinfektionen ist seither deutlich zurückgegangen. Allerdings ist der Abwärtstrend weniger stark als erhofft. Am Mittwoch wurden 3972 Neuinfektionen binnen einem Tag verzeichnet. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist dieser Wert um ein Mehrfaches höher als in Deutschland.
Die Regierung setze daher auf ein konsequentes Grenzregime, damit das Virus nicht durch Rückkehrer oder Touristen ins Land getragen werde, sagte Kanzler Sebastian Kurz über die neuen Maßnahmen. Die Quarantänepflicht soll demnach für Reisende gelten, die aus Risikogebieten mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen 14 Tagen kommen. Das gelte praktisch für alle Nachbarstaaten und speziell auch für den Westbalkan, hieß es weiter. mrc: Quelle: Internet. Dez. 2020